Meine Bücher zu Politik, Kirche, Religion, Evolution
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Von der Grundsicherung zum Grundeinkommen?

Solidarität mit den Schwächeren der Gesellschaft heißt die Grundidee des Sozialstaats. Um diese Idee in praktische Politik zu gießen, wurde ein soziales Netz geknüpft. In Deutschland muss niemand verhungern. Aber können wir damit zufrieden sein? Ist es nicht vielmehr skandalös, dass es in unserem Land, einem der reichsten der Welt, weitverbreitete Armut gibt? Die Wirtschaft brummt, Deutschland ist Export-Weltmeister – zum großen Teil auf dem Rücken der Beschäftigten. Um Kosten zu senken, wird am liebsten an den Löhnen gespart.

3,3 Millionen Menschen gehen in Deutschland einer Mehrfachbeschäftigung nach. Das kann beispielsweise die Kombination zweier oder mehrerer Jobs sein und wäre dann nicht unbedingt ein Hinweis auf Armut. Aber: 2,8 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte beziehen ein zweites Einkommen aus einem geringfügig entlohnten Nebenjob (Quelle: Bundesagentur für Arbeit). In den meisten Fällen dürfte das bedeuten, dass die Bezahlung der Hauptbeschäftigung nicht ausreicht, um ein angemessenes Leben zu finanzieren. Rund eine Million Kinder bzw. ihre Eltern bekamen jährlich 100 Euro aus der Staatskasse, weil sie die nötigen Schulbücher sonst nicht kaufen konnten.

Laut dem 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung sind mehr als vier Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht. Sie verfügen über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (nicht zu verwechseln mit dem Durchschnittseinkommen). Der Bericht gibt auch Auskunft darüber, wie es ohne das soziale Netz aussähe. Gäbe es die sozialen Transferleistungen nicht, beträfe das Armutsrisiko mehr als 23 Prozent der Bevölkerung. In dieser Zahl verbergen sich noch große Unterschiede. Beispielsweise trügen fast 80 Prozent der Arbeitslosen und 57 Prozent der Alleinerziehenden das Armutsrisiko.

Unser soziales Netz soll dafür sorgen, dass man auch im Alter noch über die Runden kommt, und es soll diejenigen auffangen, die – aus welchen Gründen auch immer – finanziell nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft ein einigermaßen akzeptables Leben zu führen. Dennoch ist es im Wesentlichen geknüpft nach dem Muster „Leistung muss sich lohnen“. Wer über viele Jahre ein hohes Einkommen erzielt hat, soll auch eine dem angemessene Rente beziehen. Zudem sorgen Beitragsbemessungsgrenzen dafür, dass hohe Einkommen relativ weniger belastet werden als niedrigere.

Die Logik, nach der die Höhe der Rente sich nach den eingezahlten Beiträgen richtet, scheint auf den ersten Blick nachvollziehbar. Dabei fallen allerdings einige Aspekte unter den Tisch. Die Rente finanziert sich nicht aus den Beiträgen, die ihre Bezieher im Lauf ihres Arbeitslebens entrichtet haben, sondern aus den Beiträgen, die aktuell in die Kasse fließen. Die derzeit Beschäftigten zahlen die Rente für die ehemals Beschäftigten. Außerdem wird der Rententopf aus dem allgemeinen Steueraufkommen subventioniert. Aus welchen Gründen jemand die für eine einigermaßen angemessene Rente erforderlichen Beiträge nicht leisten konnte oder wollte, erfasst das System nicht. Schließlich bleibt unberücksichtigt, ob die Einkommen, aus denen Beiträge entrichtet wurden, durch gesellschaftlich nützliche oder eher schädliche Arbeit erzielt wurden. Beispielsweise folgt der relativ spärlichen Bezahlung in sozialen Berufen eine zusätzliche Benachteiligung im Rentenalter, obwohl gerade Menschen in diesen Berufen besonders wertvolle Dienste für die Gesellschaft erbringen.

Nun finanzieren die Beschäftigten das soziale Netz ja nicht allein, sondern Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen sich die Last. Das ist grundsätzlich begrüßenswert, zumal die paritätische Beteiligung beider Seiten wieder erreicht wurde. Auch hier hat die Gerechtigkeit aber einen Kratzer. Sowohl die Beiträge der Arbeitgeber als auch die der Arbeitnehmer müssen zunächst erwirtschaftet werden. Dafür sind die Arbeitgeber zuständig, wenn auch die Leistung der abhängig Beschäftigten die Grundlage bildet. Im Grunde tragen die Arbeitgeber die Gesamtlast. Und da stellt sich die Frage, wieso muss diese Belastung an die Zahl der Beschäftigten, beziehungsweise an deren Einkommen gekoppelt sein? Dieses System bestraft Unternehmen, die Menschen in Lohn und Brot bringen, und es bevorteilt die, die stattdessen in Automatisierung investieren. Wäre es nicht – für Arbeitgeber und Arbeitnehmer – gerechter, die Gesamtwirtschaft müsste für die Finanzierung des sozialen Netzes aufkommen?

Das würde bedeuten, alle Unternehmen müssten unabhängig von der Zahl der Beschäftigten und der Lohnsumme eine Abgabe entrichten und damit die derzeitigen Sozialbeiträge ersetzen. Das wäre so etwas wie eine Quellensteuer, denn die erforderlichen Mittel würden direkt an der Quelle abgeschöpft, wo sie erwirtschaftet werden. Als Bemessungsgrundlage könnte der Umsatz dienen.

Sofern sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmer-Beiträge auf diese Weise abgelöst würden, wäre ein neues Kriterium für die Berechtigung und Bemessung des Bezugs von Rente und Arbeitslosengeld notwendig. Da böte es sich an, die Arbeitszeit als Berechnungsgrundlage zu nehmen. Die Arbeitgeber wären dann zu verpflichten, statt der gezahlten Löhne und Gehälter die geleistete Arbeitszeit an eine zentrale Stelle zu melden. Technisch wäre das wohl kein Problem, ohnehin wird ja weitgehend die Arbeitszeit elektronisch erfasst. Nur, wie ließe sich dieses System gegen Missbrauch absichern? Es würde Arbeitgeber geradezu einladen, überhöhte Zahlen zu melden. Sie hätten davon keine Nachteile zu befürchten, könnten aber ausgesuchten Beschäftigten große Gefallen erweisen. Vielleicht wäre eine Kontrolle über die Steuerzahlungen möglich. Ob die sich allerdings wasserdicht gestalten ließe, dürfte zu bezweifeln sein.

Einfacher und besser wäre ein System, in dem eine spezielle Berechtigung zum Renten-Bezug überflüssig wäre. Das würde bedeuten, ab Vollendung des 67. Lebensjahres erhielten alle die Rente in gleicher Höhe. Wem das zu wenig ist, hat wahrscheinlich im Berufsleben so gut verdient, dass er zusätzlich privat vorsorgen konnte.

Will man das System ausweiten, sind wir schnell bei der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen. Seit Jahren steht das Grundeinkommen in der Diskussion. Es würde bedeuten, alle Menschen erhalten einen bestimmten Geldbetrag, unabhängig davon, ob sie in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, arbeitslos, krank oder Rentner sind. Das mag für viele Menschen total utopisch klingen. Andere sind hingegen überzeugt, wir kämen langfristig an einem bedingungslosen Grundeinkommen nicht vorbei.

Eine staatlich (also nicht per Versicherung) finanzierte Grundsicherung gibt es bereits. Sie ist unter dem Kurznamen „Hartz IV“ bekannt. Die Betonung liegt auf „…sicherung“. Nach den Vorschlägen des ehemaligen VW-Managers und Kanzler-Beraters Peter Hartz wurde die Versicherungsleistung im Fall der Arbeitslosigkeit zeitlich begrenzt und das danach aus Steuermitteln erhältliche Arbeitslosengeld mit der Sozialhilfe zusammengefasst.

Die Hartz-IV-Regelung ist als staatliche Nothilfe konstruiert. Folglich enthält die Konstruktion Sicherungen in Form von Bedingungen, die die Staatskasse vor Missbrauch schützen sollen. Hinzuverdienste sind nur in eng begrenztem Rahmen erlaubt, eigene Einnahmen werden weitgehend verrechnet. Aus staatlicher Sicht bedarf es konsequenterweise derartiger Bedingungen. Sie kollidieren allerdings oft mit dem Unverständnis Betroffener – die nicht selten die Meinung vertreten, auf jeden Fall einen Anspruch auf die staatliche Hilfe zu haben.

Die verbreitete Kritik an Hartz IV reicht aber weit über solches Anspruchsdenken hinaus. Das komplizierte Geflecht der Bedingungen lässt sich für den Einzelnen ohne fachliche Hilfe kaum überblicken, was schon bei der Antragsstellung beginnt. Weil jede Regelverletzung sanktioniert werden kann, empfinden Betroffene wie auch nicht betroffene Fachleute die Bedingungen als diskriminierend.

Nicht zuletzt aus diesem Grund hat die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens viele Anhänger gefunden. Es einzuführen, würde einen Systemwechsel bedeuten. Es soll zwar auch der Absicherung dienen, darüber hinaus aber das Volkseinkommen in unserem reichen Land eine Spur gerechter verteilen. Grundsicherung und Grundeinkommen unterscheiden sich nicht nur in den Bedingungen bzw. der Bedingungslosigkeit.

In den politischen Parteien herrscht keine große Begeisterung für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Skepsis überwiegt. Ein solcher Systemwechsel wäre denn auch ohne die weitgehende Zustimmung in der Bevölkerung kaum durchführbar. Da gilt es, die Argumente der Gegner ebenso zu beachten wie die der Befürworter.

Gegen das Grundeinkommen spricht vor allem die Annahme, (zu) viele Menschen könnten es sich mit dem Geld bequem einrichten, ohne auch nur an Arbeit zu denken. Die Einstellung, „warum soll ich für mein Geld arbeiten, wenn es anderen nachgeschmissen wird?“, untermauert die Abwehrhaltung. Die soziale Ungerechtigkeit würde nicht abgemildert, sondern verschärft, so die Befürchtung.

Befürworter räumen ein, die Zahl derer, die sich schon als Hartz-IV-Bezieher keine Mühe geben, ein selbstverdientes Einkommen zu erzielen, könnte sich durch ein bedingungsloses Grundeinkommen erhöhen. Die Befürworter unterstellen aber, die meisten Menschen wollten gern eigenes Geld verdienen, weil die Beteiligung am Berufsleben auch gesellschaftliche Teilhabe bedeute. Das Ausmaß ehrenamtlicher Betätigung weise auf das weit verbreitete Bedürfnis hin, eine Rolle in der Gesellschaft zu übernehmen.

Wie weit sich die Arbeitswilligkeit oder -unwilligkeit auswirken würde, bleibt zunächst im Bereich der Spekulation. Vielleicht ließe sich aber die Arbeitswilligkeit durch Belohnung unterstützen.

Wenn das Grundeinkommen mehr als nur eine Absicherung für den Notfall und daher eben bedingungslos sein soll, darf es nicht mit selbst verdientem Geld verrechnet werden. Es ist unabhängig davon zu gewähren, ob jemand darüber hinaus ein Einkommen hat oder nicht. Warum also nicht einen Anreiz schaffen, zusätzlich Geld zu verdienen? Das könnte etwa so funktionieren: Das Grundeinkommen wird in zwei Bestandteile aufgeteilt. Den Basisbetrag bekommt jede/r, und einen bestimmten Zusatzbetrag bekommt man, wenn man aufgrund eigener Arbeit ein Einkommen in gleicher Höhe erzielt. Um es mit Zahlen zu verdeutlichen: Angenommen, der Basisbetrag von 800 Euro wird bedingungslos an alle ausgezahlt. Für jeden Euro bis zu maximal 400 Euro, den jemand durch eigene Leistung hinzuverdient, erhält er/sie einen Euro obendrauf. Wer mindestens 400 Euro selbst verdient, kann sich über 800 plus 400 Euro Grundeinkommen, also insgesamt über ein Einkommen von 1.600 Euro freuen. Der Zusatzbetrag wäre nicht bedingungslos, aber im Rentenalter könnte die Bedingung der Eigenleistung entfallen.

Wäre ein solches System finanzierbar? Schauen wir uns zunächst den Bedarf an: Angenommen, das Grundeinkommen von 800 Euro im Monat stünde allen legal in Deutschland Lebenden zu; bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs erhielte man nur die Hälfte, also 400 Euro. Zusätzlich sollten alle Rentner und alle, die mindestens 400 Euro selbst verdienen, monatlich 400 Euro bekommen. Nach der Prognose des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2020 sind 12.8 Millionen Deutsche jünger als 18 Jahre; 52,5 Millionen liegen im Alter zwischen 18 und 66 Jahren; 16,3 Millionen sind 67 und älter. Für den Basisbetrag errechnet sich daraus folgender Bedarf: 68,8 Millionen mal 800 Euro plus 12,8 Millionen mal 400 Euro ergeben monatlich 60,16 Milliarden, d.h. jährlich 721,92 Milliarden Euro. Angenommen rund 30 Millionen Menschen verdienen monatlich mehr als 400 Euro (die Zahl scheint mir aufgrund der vom Statistischen Bundesamt angegebenen Steuerpflichtigen naheliegend). Zusammen mit den Rentnern hätten dann rund 46 Millionen Menschen Anspruch auf den Zusatzbetrag von monatlich 400 Euro. Das macht 18,4 Milliarden Euro im Monat, bzw. 220,8 Milliarden im Jahr. Der Gesamtbedarf des Systems läge bei 942,72 Milliarden Euro pro Jahr.

Ist es möglich, diesen Betrag aufzubringen? Im Jahr 2016 haben die umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt einen Umsatz von rund 6 Billionen Euro erzielt. Um die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gezahlten Sozialbeiträge von rund 430 Milliarden Euro zu ersetzen, müssten die Unternehmen 7,2 Prozent ihres Umsatzes aufbringen. Banken und Versicherungen, die im Wesentlichen keine Umsatzsteuer zahlen, sowie der Öffentliche Dienst müssten sich mit einem adäquaten Betrag beteiligen. Nimmt man die Zahl der Beschäftigten als Bemessungsgrundlage, müsste dieser Anteil am Gesamtaufkommen rund 15 Prozent betragen. Die umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen hätten dann nur noch 6,1 Prozent ihrer Umsätze aufzubringen.

430 Milliarden Euro wären ja schon annähernd die Hälfte des oben errechneten Bedarfs. Nur, mit diesem Geld müssten auch die Beiträge für Kranken-, Unfall- und Pflegeversicherung ersetzt werden, wofür etwa 211 Milliarden Euro zu rechnen sind. (Zahlen vom Bundesfinanzministerium für 2015). Sollten die Unternehmen neben den Beiträgen für die Kranken-, Unfall- und Pflegeversicherung – gemeinsam mit dem Öffentlichen Dienst, Banken und Versicherungen – die Hälfte des Bedarfs für das Grundeinkommen nach obigem Muster aufbringen, müssten sie jährlich 580 Milliarden Euro zahlen, das wären knapp 10 Prozent ihres Umsatzes. Der Betrag errechnet sich folgendermaßen: Die Hälfte des Bedarfs von 942,72 Milliarden sind 471,36 Milliarden plus 211 Milliarden macht zusammen 682,36 Milliarden. Davon 85 Prozent sind 580 Milliarden.

Die Hälfte des Bedarfs eines bedingungslosen Grundeinkommens ließe sich auf diese Weise decken. Die Belastung der Unternehmen hielte sich in Grenzen, da ja die bisherigen Sozialbeiträge entfielen. Beschäftigungsintensive Unternehmen würden teilweise wohl sogar entlastet. Für die Wirtschaft scheint mir das Modell zumutbar zu sein. Die zweite Hälfte des Bedarfs wäre aber aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu decken. Wobei ja ein Teil der bisherigen (Sozial-)Ausgaben eingespart würde. Die Einkommensteuer für Besserverdienende um ein paar Prozentpunkte anzuheben, könnte hilfreich sein.

Der von verschiedenen Seiten vorgebrachte Vorschlag, eine negative Einkommensteuer einzuführen, verdient hier sicher Beachtung. Dabei erhalten alle vom Finanzamt eine Gutschrift über die Höhe des Grundeinkommens, und der Steuersatz wird – beispielsweise einheitlich auf 50 Prozent – erhöht. Durch die Anrechnung der Gutschrift verringert sich das zu versteuernde Einkommen, so dass nur hohe Einkommen stärker besteuert werden als bisher. Als Variante käme infrage, statt des gesamten Grundeinkommens nur den hier vorgeschlagenen Zusatzbetrag von 400 Euro als negative Einkommenssteuer zu verrechnen. Außerdem wäre denkbar, die Steuersätze und gleichzeitig den Steuerfreibetrag zu erhöhen. Auf jeden Fall stünde der Staat vor einer großen Herausforderung. Ob die Staatskasse das vertragen könnte, müssten Finanzfachleute beurteilen.

Sollten die Hürden, ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen, sich als zu hoch erweisen, könnte (zunächst) wenigstens die Grundsicherung reformiert werden. Eine einheitliche und angemessene Rente durch Abschöpfung an der Quelle des Volkseinkommens zu finanzieren, wäre – unter Beibehaltung staatlicher Zuschüsse – problemlos möglich. Das dürfte anhand der oben genannten Zahlen nachvollziehbar sein. Auch der dafür notwendige Wechsel des Systems wäre eine relativ leicht zu bewältigende Aufgabe, wenn die bisher bereits erreichten Rentenansprüche erhalten blieben und die unter dem Einheitssatz liegenden aufgestockt würden. Übrigens könnte die Beteiligung des öffentlichen Dienstes an der Finanzierung ein erster Schritt sein, die Beamten in das Rentensystem einzubeziehen.

Das Grundeinkommen einzuführen, wäre ein großer Schritt. Es bedürfte aber nur eines relativ kleinen Schritts, neben der Rente auch die Absicherung für Zeiten der Arbeitslosigkeit zu reformieren. Das Arbeitslosengeld I auf dem gleichen Weg wie die Rente zu finanzieren, würde erfordern, auch dies mangels Bemessungsgrundlage in einheitlicher Höhe zu zahlen. Dabei die mögliche Bezugsdauer zu verlängern, – vielleicht mit Abschmelzung der Anspruchshöhe – dürfte die Unternehmen ebenfalls kaum überfordern. Gleichzeitig könnte der dafür festzulegende Betrag als Obergrenze dienen, bis zu der Hartz-IV-Berechtigte etwas hinzuverdienen dürfen, ohne dass das Einkommen verrechnet würde. Auch hier würde die Abschmelz-Funktion greifen, aber es bliebe ein Anreiz, sich aus eigener Kraft aus dem Hartz-IV-Loch zu befreien.

Leider ist nicht damit zu rechnen, dass Vertreter/innen der fünf Staatsgewalten voller Begeisterung die Initiative ergreifen, um die hier geschilderten Ideen umzusetzen. Aber es sind ja nicht ausschließlich neue Gedanken, die ich zu Papier gebracht habe. Vieles ist in der Diskussion. Die Diskussion muss weitergehen, sie muss von uns Bürgerinnen und Bürgern angefeuert werden.

Es wäre sehr hilfreich, sich dazu in Versammlungen auf regionaler und kommunaler Ebene zu engagieren. Der Name, ob vielleicht „Bürgerkomitee“, „regionales Wahlbündnis“ oder ganz anders, darf da keine Rolle spielen. Die Wahl und Unterstützung einer Kandidatin oder eines Kandidaten für die nächste Parlamentswahl kann der Kristallisationspunkt für ein Bündnis, sollte aber nicht die einzige Aufgabe sein. Diskussionen auf regionaler und kommunaler Ebene sollten insgesamt als Beteiligung an der Politik verstanden werden. Vielleicht gelingt es dadurch, kleine Beiträge für mehr soziale Gerechtigkeit zu leisten.

Und wer diesen Weg für aussichtslos hält, hat immer noch die Möglichkeit, sich in einer Partei zu engagieren. Für frischen Wind kann man auch innerhalb der Parteien sorgen. So oder so: Die Demokratie lebt vom Engagement. Entrüstung reicht nicht.